Jörg Beyer ist Arzt und Krebsforscher am Vivantes Klinikum Berlin DW-TV: Herr Beyer, was macht eigentlich eine Zelle zu einer Krebszelle? Jörg Beyer: Krebszellen verhalten sich gar nicht so unähnlich wie normale Zellen. Sie haben aber ein bestimmtes Programm. Man kann salopp sagen, sie halten sich nicht mehr an die Regeln, die normale Zellen einhalten. Sie verlässt den Platz an dem sie entsteht. Sie breitet sich oft im Körper aus, was normale Zellen nicht tun. Die Krebszelle zerstört Grundstrukturen. Man kann es so formulieren: Sie hält sich nicht an die Grundregeln. Sie ist also eine Anarchistin. Kann man einen gesunden Menschen daraufhin untersuchen, ob, und wenn ja, welchen Krebs er mal kriegen wird? Das ist in erreichbare Nähe gerückt. Wir können viele der angeborenen Krebsarten heute schon sehr früh erkennen, weil wir gelernt haben, das menschliche Genom zu lesen. Es ist die Frage, ob man das immer genau wissen will. In jedem Fall braucht es dafür eine sehr erfahrene genetische Beratung. Und das kann man nicht einfach so machen, dazu braucht es Spezialisten, die das Genom, das menschliche Erbgut, zu lesen verstehen. Spezialisten, die es auch verstehen, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Sonst kann dieses Wissen unter Umständen auch gefährlich werden. Dieses Genom wurde vor 10 Jahren entschlüsselt. Was hat das für die Krebsforschung gebracht? Eine große Revolution. Wir können das menschliche Erbgut, den Bauplan, nach dem wir erschaffen sind, lesen. Wir können Defekte in diesem Bauplan erkennen und darauf aufbauend Strategien überlegen, wie wir tatsächlich Krebs mit viel intelligenteren Möglichkeiten in Zukunft bekämpfen, als uns das in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten möglich war. Eine dieser Möglichkeiten sind ja Medikamente. Wie zielgerichtet können und müssen die sein? Die müssen zielgerichtet sein, wenn sie gezielt Krebszellen bekämpfen und die gesunden Zellen nicht attackieren sollen. Wir haben das Wissen darüber, wie die Zellen gebau...