Arbeitsmarktexperte Gerhard Bosch, Instutut für Arbeit und Qualifikation, Universität Duisburg Essen.DW-TV: Herr Bosch, wie kann das sein, dass Finnland mit so gut ausgebildeten Jugendlichen, eine so hohe Jugendarbeitslosigkeit hat? Gerhard Bosch: Ja, das überrascht mich auch sehr, weil die Finnen in dem Schultest, dem sogenannten Pisatest, die besten Leistungen in Europa erzielt hat. Die deutschen Bildungsexperten pilgern nach Finnland, um von den Finnen zu lernen. Und trotzdem sieht es so schlecht aus. Meine Erklärung dafür ist, dass das Ausbildungssystem nicht stimmt. Es ist verschult und die Jugendlichen sind in der Wirtschaftskrise Außenseiter. Sie stehen sozusagen vor den Türen der Unternehmen. Und in der Krise wird als erstes auf Einstellungen verzichtet und es wird niemand mehr eingestellt. In Deutschland haben die Jugendlichen über das duale Berufsausbildungssystem einen Fuß in den Unternehmen. Sie sind sozusagen schon Beschäftigte. DW-TV: Das heißt, hier in Deutschland sind wir sozusagen ausnahmsweise einmal Vorbild, wenn es um die Jugendarbeitslosigkeit geht. 10,1 Prozent sind tatsächlich sehr wenig. Was müsste man denn strukturell ändern, damit sich das auch insgesamt auf Europa auswirkt? Gerhard Bosch: Es ist ganz überraschend. Die Länder mit einem dualen Berufsausbildungssystem, also mit betrieblicher Ausbildung, der klassischen Lehrlingsausbildung, wie Dänemark, Deutschland, Österreich und Schweiz, diese Länder fahren jetzt am Besten in der Krise. Und die skandinavischen Länder diskutieren ganz heftig darüber, das deutsche System, in einer veränderten Form natürlich, auch bei sich einzuführen. DW-TV: Glauben Sie denn, dass das kommt? Gerhard Bosch: Ja, das kommt. Weil es nicht nur Finnland betrifft, sondern auch Spanien hat 45 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, Schweden hat riesige Zahlen. Alle diese Länder stehen vor der Frage, wie sie ihr Bildungssystem stärker betrieblich verankern müssen, damit der Übergang nach einer Ausbildung in die Beschäftig...